Rolf Sturm, ehemaliger Präsident des Drachen-Club-Deutschland, hatte mich eingeladen, mit auf eine besondere Reise zu kommen. So machte ich mich am 8. März zusammen mit meinem Drachenfreund Karl-Ulrich Körtel in aller Frühe auf den Weg nach Düsseldorf. Am dortigen Flughafen trafen wir neben Rolf auch auf unsere mitreisenden Drachenfreunde Lothar Marx aus Köln, Harm-Dierk Otte aus Dörverden bei Bremen und Gerd Klaus aus Düsseldorf. Nach insgesamt zwölfstündigem Flug und sechs Stunden Zeitverschiebung erreichten wir Bangkok am frühen Nachmittag des nächsten Tages, wo wir von unserer zukünftigen Reisebegleiterin Yui vom TAT empfangen wurden. Erst als wir die voll klimatisierten Räume des Flughafens verließen, um unsere Drachentaschen auf einen mitreisenden Lkw zu verladen, merkten wir den gewaltigen Temperaturunterschied. 35 Grad Celsius und 90 Prozent Luftfeuchtigkeit ließen die ohnehin drückenden Abgasschwaden des Bangkoker Dauerstaus schier unerträglich werden. Doch zum Glück saßen wir bald im klimatisiertem Van, um gemeinsam mit anderen Drachenfliegern unser erstes Quartier, das Montien Riverside Hotel anzusteuern. Teilnehmer
aus aller Welt Mit uns reisten Drachenteams aus Indonesien, USA, Bali, Australien, Korea, China, Malaysia, Taiwan, Indien, Kanada, Schweden, Singapur und Thailand. Eine weitere Gruppe war in einem dritten Reisebus unterwegs. In dieser von Ron Spaulding und der Thai Kite Heritage Group betreuten Gruppe waren vorwiegend bekannte Großdrachenbauer wie Peter Lynn aus Neuseeland, die US-Amerikaner David Gomberg, Pete Dolphin, und Al Sparling, Masaaki Modegi aus Japan, Pedro und Esteban Gonzales aus Spanien, der Italiener Marco Casadio sowie Gerard Clement und das Team AWITA aus Frankreich. Ebenfalls mit dabei waren Sven Weidhase und Silke Foltmer von No Limit aus Cuxhaven. Insgesamt nahmen über 120 Teilnehmer aus 18 Nationen an diesem Drachenspektakel teil. Nach einem stärkenden Mittagessen im Long Beach Hotel in Cha Am setzten sich unsere Busse Richtung Drachenfest in Bewegung. Auf dem riesigen Militärgelände Camp Rama VI sollten wir zunächst nur für die Presse fliegen und selber das Flugfeld inspizieren. Bereits von Weitem konnten wir sehen, dass der Himmel schon mit etlichen Großdrachen gefüllt war. Ein imposanter Anblick und es juckte uns in den Fingern, endlich unsere Drachen in den thailändischen Himmel zu schicken. Während sich die Drachenflieger noch überall mit großem Hallo begrüßten, wurde unser Gepäck abgeladen und Bodenanker in Position gezogen. Alles war bestens für das Festival, das unter dem Motto „Coloring the sky“ stand, vorbereitet. Es gab separate Flugfelder für Vorführungen, für Lenkdrachenshows, für die traditionellen Thai-Drachenkämpfe und fürs Publikumsfliegen. Entlang des Kite-Fields waren, wie bei internationalen Events üblich, die einzelnen Nationen in pavillonähnlichen Zelten untergebracht. Zur Zuschauerseite abgetrennt, konnte hier unser Material gelagert werden und es gab Tische und Stühle für den Lunch und schattige Pausen. Weltrekord Den Vordergrund bildete eine regelrechte Mauer aus Riesenkraken. Zwölf „Giant Octopuses“, Kraken zwischen 30 und 42 Meter Länge, erhoben sich majestätisch vom Boden, um mit ihren fließenden Tentakeln den Himmel zum Aquarium werden zu lassen – neuer Weltrekord. Einfach gigantisch, was Drachenflieger wie Peter Lynn, David und Susan Gomberg, Al Sparling, Kevin Sanders, Jim Martin und Mike Agner, Pete Dolphin, Gerard Clement, Michel Boucard und das Team AWITA gezaubert hatten. Einem wehenden Vorhang gleich wogen sich die zwölf Riesenkraken aus fünf verschiedenen Nationen friedlich nebeneinander als ob sie so schon immer gemeinsam geflogen wären. Dieses Schauspiel konnte, wenn überhaupt, nur noch durch einen der drei weltgrößten Drachen übertroffen werden. Und so machte sich auf einem angrenzenden Flugfeld auch schon Masaaki Modegi von der Japan Kite Association mit seinem Team bereit, um den „MegaMoon“ in Startposition zu bringen. Erstmals konnte ich hier eine der Mega-Flags live erleben. Wenn auch nicht durch die Schönheit, so war ich doch beeindruckt von der Größe und Leichtigkeit, mit der hier über 200 Kilogramm Drachen abhoben, um Tausenden von staunenden Zuschauern anschließend Schatten zu spenden. Neben all diesen gigantischen Drachen flogen vor allem die Asiaten schier unendlich erscheinende Drachenketten, traditionelle thailändische Kastendrachen, Supermans 200 Meter lange Kobra und vieles andere mehr. In einem separaten Flugfeld begeisterten die Bay Area Sundowners aus San Francisco mit ihrer immer wieder unter die Haut gehenden Performance mit Lenkdrachenketten.
Ungewohnte
Begeisterung Obwohl der Tag mit wenig Wind begonnen hatte, sollte er mit gleichmäßigem Wind von 3 Bft. bis in den Abend hinein der wohl Schönste der ganzen Reise werden. Der Himmel wurde getreu dem Motto „Coloring the sky“ voll und voller. Nachmittags präsentierten die einzelnen Nationen dem interessiertem Publikum ihre Drachen vor der Showbühne. Die Zuschauer gingen begeistert mit und honorierten die schweißtreibenden Aktionen der Drachenflieger mit viel Applaus. Im Gegensatz zur europäischen Drachentradition haben sich viele asiatische Länder ihre spielerische und sportliche Begeisterung für den Drachensport erhalten. Während noch viele Drachen am Himmel standen, begann die große Abschlussfeier mit Musik, Tanz und Danksagungen. Zum Abschluss des Festivals gab es für jeden Teilnehmer eine Urkunde. Zur Überraschung aller wurde dann das während des Festivals von einem Filmteam gedrehte Video auf einer Großbildleinwand gezeigt. Klasse, wie schnell und mit welch einem Drive hier die Festival-Highlights filmisch in Szene gesetzt worden waren. Demonstrationen Aufgrund der unklaren Situation hatte die TAT für den kommenden Tag kurzerhand eine weitere Besichtigungstour für uns Drachenflieger durch Bangkok organisiert. Per Boot ging es durch die zahlreichen Wasserstraßen vorbei an den schwimmenden Märkten in Damnoen Saduak. Anschließend besichtigten wir Wat Pho mit seinem riesigen liegenden Buddha sowie Phra Kaeo und Grand Palace. Trotz oder gerade wegen der Ungewissheit ließen es sich einige Drachenflieger nicht nehmen, nachmittags den Sanam Luang aufzusuchen, um die Lage und damit verbunden die Wahrscheinlichkeit von Drachenwettbewerben einschätzen zu können. Man beschloss, am folgenden Nachmittag mit einigen Drachen den Platz zu besuchen. Von den Demonstrationen war dann auch nicht mehr viel zu sehen. Allerdings fehlte auch der Wind. So blieb nichts anderes übrig, als sich mit anderen Drachenfliegern zu unterhalten und ein paar Leichtwinddrachen zu fliegen. |
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Diesen Beitrag und noch viel mehr finden Sie in Sport & Design Drachen, Ausgabe 3/06 .
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